Potenzialanalyse, Variantenvergleich, Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und Ökobilanz
Die Entscheidung zwischen Sanierung und Neubau erfordert eine fundierte, ganzheitliche Betrachtung. In unserem letzten Beitrag haben wir die Bedeutung der Ökobilanz und der grauen Energie für diese Entscheidung beleuchtet. Doch welche Instrumente und Methoden stehen Bauherrschaften und Projektverantwortlichen konkret zur Verfügung, um faktenbasierte Entscheidungen zu treffen? Heute stellen wir vier Schlüsselbegriffe vor, die im nachhaltigen Bauwesen eine zentrale Rolle spielen und zeigen, wie diese im Zusammenspiel zu optimalen Ergebnissen führen.
Abgrenzung der Begriffe im Bauwesen
1. Potenzialanalyse– Der Ausgangspunkt
Die Potenzialanalyse kann der erste Schritt im Entscheidungsprozess für ein Bauprojekt sein, insbesondere bei Bestandsgebäuden. Sie untersucht systematisch, welche Möglichkeiten ein Gebäude oder Grundstück bietet – technisch, funktional, wirtschaftlich und ökologisch. Ziel ist es, die grundlegenden Optionen wie Sanierung, Umnutzung, Teilrückbau oder Abriss und Neubau zu identifizieren und deren Machbarkeit zu bewerten.
Abgrenzung:
Die Potenzialanalyse ist eine vorlaufende, breit angelegte Untersuchung, bei der in einer hohen Flughöhe nicht auf einzelne Details geschaut wird. Sie liefert die Basis für weiterführende Analysen.
2. Variantenvergleich– Verschiedene Möglichkeiten im Blick
Auf Basis der Potenzialanalyse werden konkrete Lösungsvarianten entwickelt, beispielsweise „energetische Sanierung“, „Teilrückbau und Erweiterung“ oder „Vollabriss und Neubau“. Der Variantenvergleich – z. B. anhand einer Nutzwertanalyse – stellt diese verschiedenen baulichen Lösungen systematisch gegenüber und bewertet ihren jeweiligen Nutzen anhand definierter technischer, ökologischer, funktionaler und wirtschaftlicher Kriterien.
Abgrenzung:
Der Variantenvergleich ist strukturierter und detaillierter als die Potenzialanalyse. Er vergleicht mehrere ausgearbeitete Lösungen direkt miteinander und bereitet die Entscheidungsfindung vor.
3. Wirtschaftlichkeitsuntersuchung– Die ökonomische Bewertung
Bei einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung werden beispielweise die gesamten Lebenszykluskosten der jeweiligen Varianten betrachtet. Das heißt, sie berücksichtigt nicht nur die Investitionskosten, sondern auch Verwaltungs-, Betriebs-, Instandhaltungs-, Rückbau- und Entsorgungskosten sowie gegebenenfalls Erlöse und Restwerte. Ziel ist es, die wirtschaftlichste Lösung für den bestehenden Bedarf oder für ein Bestandsobjekt zu identifizieren und die Entscheidungsfindung belastbar, transparent und nachvollziehbar vorzubereiten.
Abgrenzung:
Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hebt auf die monetären Aspekte baulicher Lösungen ab und ist ein eigenständiges, verpflichtendes Instrument zur Vorbereitung öffentlicher Bauprojekte. Sie kann integraler Bestandteil eines Variantenvergleichs sein und die Grundlage für fundierte Investitionsentscheidungen liefern.
4. Ökobilanz– Die ganzheitliche Umweltbewertung
Parallel oder ergänzend zur Wirtschaftlichkeitsuntersuchung kann für jede Variante eine Ökobilanz (Life Cycle Assessment, LCA) erstellt werden. Sie bewertet die Umweltwirkungen der Alternativen über den gesamten Lebenszyklus: von der Rohstoffgewinnung über Bau, Nutzung bis zum Rückbau. Die Energiebilanz ist ein Teilaspekt der Ökobilanz und fokussiert sich auf den Energiebedarf in den verschiedenen Lebensphasen. Die Ökobilanz liefert damit die entscheidenden ökologischen Kennzahlen, etwa zu grauer Energie, CO₂-Emissionen und Ressourcenverbrauch.
Abgrenzung:
Die Ökobilanz ist die umfassende ökologische Betrachtung und grenzt sich von der rein kaufmännischen Analyse ab. Sie ist heute – auch durch Zertifizierungssysteme wie DGNB oder BNB – ein zentrales Entscheidungskriterium im Bauwesen.
Zusammenspiel und Abhängigkeiten
Reihenfolge:
Die Potenzialanalyse kann die Grundlage für die Entwicklung von Varianten bilden. Der Variantenvergleich bewertet den Nutzen der verschiedenen Lösungen umfassend. Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und Ökobilanz liefern die entscheidenden ökonomischen und ökologischen Bewertungen der Varianten und dienen als Grundlage zur Entscheidung.
Abhängigkeiten:
Ohne die Identifikation und Untersuchung von Varianten kann keine fundierte Entscheidung vorbereitet werden. Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und Ökobilanz sind notwendig, um die verschiedenen Lösungen ganzheitlich zu bewerten und eine wirtschaftliche, nachhaltige und damit zukunftsfähige Entscheidung zu treffen.
Praxisbezug:
Gerade bei der Fragestellung Sanierung oder Neubau sind alle Untersuchungsbestandteile essenziell, um die beste Lösung für die Bauherrschaft, die Nutzenden, die Wirtschaftlichkeit und das Klima zu finden.
Fazit: Der Weg zur fundierten Bauentscheidung
Die vorgestellten Instrumente – Potenzialanalyse, Variantenvergleich, Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und Ökobilanz – bilden zusammen ein leistungsfähiges Methodenset für nachhaltige Bauentscheidungen. Sie ermöglichen es, den gesamten Entscheidungsprozess strukturiert und faktenbasiert zu gestalten, von der ersten Bestandsaufnahme bis zur finalen Auswahl der optimalen Vorgehensweise.
Insbesondere im Entscheidungsbereich zwischen Sanierung und Neubau liefern diese Methoden die notwendige Transparenz und Entscheidungssicherheit. Sie helfen dabei, auch kurzfristige wirtschaftliche Interessen mit eher langfristigen ökologischen Zielen in Einklang zu bringen und so die Weichen für eine nachhaltige sowie soziale Zukunft zu stellen.
Als erfahrener Partner im Projektmanagement unterstützen wir Bauherrschaften und Projektverantwortliche bei der Anwendung dieser Methoden. Unser Ziel ist es, Sie in die Lage zu versetzen, fundierte und zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen, die sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch und sozial nachhaltig sind.